Die Faszination des Luxus: Warum Maklerinnen Reality-Stars wurden
Reality-TV-Formate über Immobilienmaklerinnen, glamouröse Luxusvillen und zwischenmenschliche Dramen erleben seit einigen Jahren einen regelrechten Boom. Ob in den USA, Frankreich oder neuerdings auch in Deutschland: Streaming-Plattformen setzen zunehmend auf das Erfolgsrezept aus Luxus, Karriereambitionen und Drama. Dabei stehen vor allem attraktive, oft karrierebewusste Maklerinnen im Zentrum – zwischen millionenschweren Villenverkäufen und persönlichen Konflikten.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) beschrieb diesen Boom kürzlich so: „Die Mischung aus Lifestyle, Design und Drama macht süchtig – Immobilienformate mit attraktiven Maklerinnen bieten Eskapismus und Statusfantasien zugleich.“ Diese Einschätzung bringt auf den Punkt, was viele Zuschauer\:innen weltweit anzieht: ein visueller Traum aus Architektur und Beziehungsdynamiken.
Von deutschen Vorläufern zu globalen Erfolgen
Vor dem Siegeszug internationaler Formate begann die Geschichte der Maklerserien im deutschsprachigen Raum mit Sendungen wie „Mieten, kaufen, wohnen“. Diese VOX-Produktion lief zwischen 2008 und 2016 und zeigte echte Makler\:innen bei der Suche nach der passenden Immobilie für ihre Klient\:innen. Zwar waren viele Szenen inszeniert oder nachgestellt, doch das Format etablierte erstmals die Verbindung von Immobilienvermittlung und Unterhaltung im deutschen Fernsehen.
Auch wenn es sich nicht um reines Reality-TV handelte, war „Mieten, kaufen, wohnen“ ein Vorläufer des Genres, das später in Hollywood perfektioniert wurde. Formate wie „Goodbye Deutschland“ oder „Die Schnäppchenhäuser“ ergänzten das Spektrum, hatten jedoch nicht die glamouröse Note, die spätere Serien wie „Selling Sunset“ auszeichnen sollte.
Selling Sunset – der internationale Gamechanger
Den weltweiten Durchbruch für das Genre brachte die US-Serie „Selling Sunset“, die 2019 bei Netflix startete. Produziert von Adam DiVello („The Hills“), folgte sie der Oppenheim Group, einem real existierenden Luxusimmobilienunternehmen in Los Angeles. Im Zentrum standen nicht nur prächtige Villen in den Hollywood Hills, sondern vor allem die Maklerinnen selbst – allesamt selbstbewusst, stylisch und in ein Netz aus Konkurrenz, Freundschaften und Intrigen verstrickt.
Was „Selling Sunset“ von klassischen Immobilienformaten unterschied, war die Balance zwischen realen Geschäftsabschlüssen und Soap-Elementen. Die Deals – teils im zweistelligen Millionenbereich – fanden tatsächlich statt, ebenso wie die Provisionen. Dennoch wurde das Format stark dramaturgisch aufgeladen.
Die britische Zeitung *The Guardian* schrieb bereits 2020: „It’s less about the houses and more about the housewives – these women are stars, and the homes are their stage.“ Diese Formel wurde zum Erfolgsrezept: Bis 2025 brachte Netflix acht Staffeln von „Selling Sunset“ sowie mehrere Ableger heraus.
Globale Expansion: Selling Tampa, Selling the OC und Co.
Mit dem Erfolg von „Selling Sunset“ expandierte Netflix das Format. 2021 startete „Selling Tampa“, das afroamerikanische Maklerinnen in Florida porträtierte. Es folgte „Selling the OC“ mit Fokus auf Orange County sowie 2025 „Selling the City“, ein Spin-off in New York.
Diese Serien griffen das gleiche Rezept auf: reale Maklerfirmen, echte Immobilien, aber mit starkem Fokus auf Lifestyle, Konkurrenzdruck und weibliche Selbstinszenierung. Dabei fiel auf, dass die weiblichen Hauptfiguren oft stark sexualisiert wurden – teils freiwillig, teils im Dienste der Unterhaltung.
Laut *People Magazine* zeigte sich in „Selling the City“ erstmals auch eine etwas nüchternere Tonalität, bei der der tatsächliche Immobilienhandel wieder mehr in den Vordergrund rückte. Ein Zeichen für die beginnende Reifung des Formats?
Europäische Varianten: Paris, Marbella und London
Auch Europa zog nach. Besonders erfolgreich war „L’Agence – Luxusmakler in Paris“ (Originaltitel: *The Parisian Agency*), das bei Netflix ebenfalls weltweit gezeigt wird. Hier steht die französische Familie Kretz im Zentrum, die luxuriöse Apartments und Anwesen in der französischen Hauptstadt und Umgebung verkauft. Die Serie verzichtet weitgehend auf inszeniertes Drama und betont familiäre Werte, Eleganz und Paris als eigenständigen Charakter.
In Spanien sorgte 2024 „Making It In Marbella“ für Aufsehen. Hier drehte sich alles um britische und spanische Makler\:innen an der Costa del Sol – zwischen Golfplatz, Strandvilla und Jetset-Lifestyle. Der Reiz: ein Schmelztiegel aus Nationalitäten und ein Mix aus dekadenter Ästhetik und mediterraner Leichtigkeit.
Weniger erfolgreich verlief hingegen der Versuch, „Selling London“ zu etablieren. Laut *The Times* tue sich der britische Markt mit der stark auf Glamour und Selbstdarstellung ausgelegten US-Ästhetik schwer: „Die britische Zurückhaltung kollidiert mit dem amerikanischen Selbstbewusstsein – hier werden Makler selten zu Stars.“
Die Formel des Erfolgs – und ihre Schattenseiten
Weshalb faszinieren diese Serien so stark? Ein zentrales Element ist das sogenannte „Immobilien-Porn“-Prinzip: Aufwendig gefilmte Luxusimmobilien, Drohnenaufnahmen, detailverliebte Inneneinrichtung – diese Ästhetik wirkt wie eine tägliche Flucht aus dem Alltag. Hinzu kommen Storylines, die an klassische Seifenopern erinnern: Konkurrenzkämpfe, Loyalitätsbrüche, Liebesdramen. Die Maklerinnen werden zu Heldinnen und Antagonistinnen zugleich.
Dabei geraten reale Aspekte des Maklerberufs nicht völlig ins Hintertreffen. In mehreren Folgen von „Selling Sunset“ wird etwa auf den Unterschied zwischen gelisteten und „off-market“-Immobilien eingegangen. Auch Provisionen – nicht selten 3 Prozent von 20 Millionen US-Dollar – werden thematisiert. Dies schafft eine gewisse Glaubwürdigkeit trotz des Show-Charakters.
Doch es gibt auch Kritik. Medienanalystin Anna Möller erklärt gegenüber dem RND: „Die Formate reproduzieren oft stereotype Bilder – von Frauen als Zicken, von Erfolg als reiner Äußerlichkeit. Maklerinnen werden zur Projektionsfläche männlicher Fantasien.“ Auch der Vorwurf der Realitätsverzerrung steht im Raum: Die Mehrheit der Maklerinnen weltweit arbeitet nicht mit Luxusimmobilien, sondern mit Einfamilienhäusern für Durchschnittsverdiener.
Zwischen Trend und Kritik: Der aktuelle Stand
Im Jahr 2025 ist das Genre so präsent wie nie. Netflix kündigte bereits neue Staffeln für „Selling Sunset“, „Selling the OC“ und ein skandinavisches Spin-off an. Die Nachfrage nach Immobilienformaten bleibt hoch – besonders in wirtschaftlich angespannten Zeiten bieten sie Eskapismus pur.
Auch in Deutschland sind erste Streaming-Plattformen interessiert, ähnliche Formate zu adaptieren. Laut Brancheninsidern sind Pilotkonzepte in Berlin, München und auf Sylt in Planung. Ob sich das US-Erfolgsmodell eins zu eins übertragen lässt, ist jedoch fraglich. Der deutsche Markt ist zurückhaltender – Prominenz und Reichtum werden hierzulande oft kritischer betrachtet als in den USA.
Zukunftsaussichten: Diversität und neue Erzählformen
Ein möglicher Entwicklungspfad liegt in der stärkeren Diversifizierung: Mehr Fokus auf unterschiedliche Maklertypen, ethnische Hintergründe und berufliche Realitäten. Auch das Thema Nachhaltigkeit im Luxussegment – etwa ökologische Bauweisen oder „Green Homes“ – könnte in Zukunft Einzug halten.
Ein weiteres Potenzial: Hybride Formate, die seriöse Marktanalysen mit Reality-Elementen verbinden. Denn auch das Interesse an Immobilien als Kapitalanlage, Altersvorsorge oder politisches Gut steigt – nicht nur unter Millennials.
Zwischen Eskapismus und Realität
Maklerserien im Stream haben sich vom Nischenprodukt zum globalen Phänomen entwickelt. Sie zeigen nicht nur prachtvolle Villen, sondern auch die Selbstinszenierung moderner Karrieren – insbesondere weiblicher. Zwischen Seifenoper und Marktrealität bieten sie Unterhaltung mit einem Hauch Fachwissen.
Ob als guilty pleasure, Inspirationsquelle oder kritisches Spiegelbild einer neoliberalen Leistungsgesellschaft: Diese Formate erzählen mehr über unser Verhältnis zu Reichtum, Schönheit und Erfolg, als es auf den ersten Blick scheint.